Landshuter holt sich den Weltmeistertitel
Seit über zwölf Jahren betreibt Markus Hargesheimer eine Wing- Chun-Kampfkunst-Schule in Landshut. Erst kürzlich wurde der 41-jährige Landshuter zum Großmeister ernannt und holte sich vier Wochen später den Weltmeistertitel in der realen Selbstverteidigung. Das alles vereinbart der Familienvater mit seinem Job als Berater bei BMW und seinem Privatleben.
Stolz verkündete der siebenjährige Sohn von Hargesheimer vor wenigen Tagen in der Früh beim Bäcker: Sein Papa solle einen goldenen Brezenring bekommen, weil er jetzt Weltmeister ist. Und recht hatte er: Am Vortag hatte sein Vater den Weltmeistertitel in der realen Selbstverteidigung geholt. Schwarz-Gürtel-Träger unterschiedlicher Kampfsport-Sparten wie Kung-Fu, Taekwondo, Judo oder Karate aus aller Welt hatten sich im August in Schwäbisch Gmünd dem Landshuter in der Disziplin Selbstverteidigung geschlagen geben müssen.
Mit 13 Jahren kommt Markus Hargesheimer zum Kampfsport. Er beginnt seine Karriere mit Karate, erlangt dort den schwarzen Gürtel. Nach zehn Jahren Karate will der heute 41-Jährige dann eine andere Richtung in Sachen Kampfsport einschlagen. Er will seinen Fokus auf die Selbstverteidigung legen und entdeckt Wing Chun, eine gesonderte Stilrichtung von Kung-Fu, für sich. Drei Mal die Woche trainiert er in München, legt dort 2005 seine Prüfung zum ersten Meistergrad erfolgreich ab, welcher es ihm erlaubt, selbst zu unterrichten. Auf Empfehlung seines Meisters eröffnet er im Folgejahr seine eigene Wing-Chun-Schule in Landshut. Damals mit dem Namen “Fight Club Landshut”.
Immer wieder ist er zu Besuch in Hongkong. Bei einer “Wing-Chun-Legende”, wie er sagt, arbeitet er an seinem Feinschliff. Der Großmeister bei dem er einst lernte, ist heute 73 Jahre alt und trotzdem noch aktiver Sportler. Das ist mit ein Grund, wieso den Landshuter die Sportart Wing Chun so fasziniert: “Man kann auch im Alter die jungen Schüler sehr schnell zu Boden bringen.” 2014 benennt er seine Schule um in “Wing Chun Schule Sifu Hargesheimer”. So soll klar ersichtlich sein, dass der Fokus auf Wing Chun liegt. Im Training lernen die Männer und Frauen auch das deeskalierende Verhalten bevor etwas passiert, mittels Körperhaltung oder Mimik.
Kommt es trotzdem zum Angriff, ist das Ziel, sich mit möglichst wenig Aufwand und Muskelkraft zu wehren oder zu befreien. Trainiert wird in verschiedenen realistischen Situationen, wie in einer engen Tiefgarage oder einer Bar.
Zum Großmeister ernannt worden
Auch Markus Hargesheimer trainiert immer mit. Bei den Ausbilder seiner Schule und anderen Großmeistern, wie zum Beispiel bei einem ehemaligen Ausbilder einer Kommandospezialeinheit, holt er sich Tipps. Und nach jedem Wettkampf fragt er bei den Kampfrichtern nach, was er verbessern könnte. Über das, was ihn auszeichnet, sagt er: “Ich trainiere immer.” Für ihn gibt es kein zu schlechtes oder zu heißes Wetter, keine Lust oder dergleichen. Der Fleiß zahlt sich aus: Im August wurde er vom Präsidenten des Verbandes zum Wing-Chun-Großmeister ernannt. Quasi die Krönung zu seinem ebenfalls heuer ergatterten Weltmeistertitel.
Erst vor sechs Jahren startete er seine Wettkampf-Karriere. “Ich hatte zuvor Turniere gemieden und mich stattdessen auf die eigene Wing-Chun-Ausbildung und den Aufbau der Schule konzentriert”, erinnert er sich. 2012 ist er trotzdem mit einem weiteren Trainer und zwei Schülern zur Deutschen Meisterschaft gefahren.
Sie erreichten alle Vier einen Platz auf dem Treppchen. Hargesheimer hatte Blut geleckt. Im Jahr darauf gewann er die Europameisterschaft, 2016 und 2017 wurde er Vizemeister der Weltrangliste. Die Krönung der harten Arbeit folgte heuer mit dem Weltmeistertitel. Das bedeutet für ihn noch nicht das Ende. Im nächsten Jahr geht es zur WM nach Kroatien. “Der Titel muss verteidigt werden.”
Bei solch einer Meisterschaft wird gegen einen Partner aus der eigenen Nationalmannschaft gekämpft, mit dem man bereits trainiert hat. Man steht Rücken an Rücken. Als Schutz vor Verletzungen dienen Tief- und Mundschutz sowie dünne Faustschützer.
Der Angreifer bekommt eine Karte gezeigt. Darauf stehen Aktionen wie Haltegriffe, Faustangriffe, Fußtritte oder ein Waffenangriff. Mit dieser Vorgabe überrascht er dann den Verteidiger in seinem Angriff. Dieser versucht sich mittels Selbstverteidigung zu wehren. Sechs dieser Angriffe müssen pro Kampf abgewehrt werden.
Bewertungskriterien für die Kampfrichter sind zum Beispiel Realitätsbezogenheit, die Geschwindigkeit des Angriffs oder die Ausführung der Technik. Auch wenn die beiden Kämpfer ein Team sind, sind sie trotzdem Gegner. Gemischt wird unter den Mannschaften nicht, denn Angreifer und Verteidiger sind ein eingespieltes Team. Sie wissen, wie viel ihr Partner einstecken kann und wie fest sie zuschlagen können. Ist der Partner fremd könne so ein Kampf schnell für den Angreifer gefährlich werden, sagt Markus Hargesheimer.
Die Turniere schienen dem 41-Jährigen zwar leicht zu fallen, doch eine Besonderheit gibt es für ihn bei allen Wettkämpfen: Ablenkung kann er nicht gebrauchen. Und so kämpft er am liebsten, ohne dass ihm Schüler, Familie und Freunden im Publikum zuschauen.